Immer wieder wird darüber diskutiert, ob Welpenstunden sinnvoll oder eher kontraproduktiv sind – auch ich werde oft gefragt, ob ich den Besuch empfehle. Wie so oft lässt sich die Frage nicht mit einem klaren ja oder nein beantworten.
Früher wurde mit einem jungen Hund frühestens im Alter von sechs Monaten trainiert; die Angst vor Infektionskrankheiten war einfach zu groß, darüber hinaus waren die damals vorherrschenden harschen Trainingsmethoden für einen kleinen Welpen völlig ungeeignet (das selbe gilt zwar auch für ältere Hunde, aber bei Welpen sah man das sogar zu Zeiten ein, in denen es noch völlig normal war einen Hund zu beherrschen und dominieren und mit Stachelhalsband, runter drücken und strengem Geschrei zu traktieren).
Die Infektionsgefahr wurde mittels flächendeckender Impfung eingedämmt, dafür wurden ängstliche, weil depriviert aufgewachsene Junghunde ein echtes Problem. Da der Welpe nichts kennengelernt hatte war er als Junghund extrem umweltunsicher, kannte er doch nichts ausser dem heimischen Garten und seine Menschen.
So waren als nächsten Welpenstunden in jeder Mund; der Welpe muss schließlich “sozialisiert” werden. Verschiedene Philosophien entwickelten sich, von “die machen das unter sich aus” Spielgruppen bis hin zu reinen Lerngruppen ohne Möglichkeit zum Sozialkontakt ist mittlerweile alles vertreten. Und hier zeichnet sich schon die Antwort auf obige Frage ab; Die Mischung macht’s.
Schauen wir uns die gängigen Argumente pro und contra Welpengruppen dich mal näher an:
Positive Aspekte der Welpenschule
Für den Besuch einer Welpenstunde spricht die Möglichkeit, sehr viele Menschen und Hunde auf einen Schlag zu treffen, also dem Welpen die Chance zu geben, positive Erfahrungen mit Artgenossen zu machen, Hundesprache zu perfektionieren – der Mops kommt anders daher als der Ridgeback – und verschiedene Menschentypen kennenzulernen.
Auch Umwelterfahrungen werden in der Gruppe gemacht; idealerweise besucht man verschiedene Orte, sieht vielleicht Nutzvieh, Feld und Wald auf dem Land und Stadtgewimmel, Verkehrsmittel und Geschäfte in der Stadt.
Altersgemäße Förderung ist in einer Welpengruppe leichter möglich als in einer Gruppe mit Hunden verschiedenen Alters (was man so auf seinem Spaziergang eben so trifft), dies fördert die Bindung zum Menschen und hilft bei ersten Gehorsamsübungen.
Nicht zu unterschätzen: Der (gute) Trainer erkennt auftretende Probleme meist schon im Ansatz, dementsprechend kann früh gegengesteuert werden.
Negative Aspekte der Welpenschule
Die Gegner von Welpenstunden machen nicht ganz zu Unrecht auf die Gefahr einer Überforderung aufmerksam, sehr oft wird zu viel vom Welpen erwartet, sowohl in Bezug auf das, was er in Begegnungen erlebt, als auch in Erwartungen des Menschen, was der Zwerg alles schon können muss. Es entsteht auch schnell ein Wettbewerb unter den Hundehaltern, welcher Welpe denn nun schon was kann. Um nicht zurückzustehen werden Lernschritte schlampig aufgebaut oder ganz übersprungen – es folgt der Frust wenn die Erkenntnis kommt, dass der Welpe eben noch nicht zuverlässig auf gewisse Signale reagiert. Manche Welpen sind auch gar nicht in der Lage, in der Gruppe zu lernen, sie sind viel zu viel damit beschäftigt, sich auf die Umwelt einzustellen.
Natürlich ist auch die Gefahr negativer Verknüpfungen groß, je nachdem wie die Welpengruppe geführt wird. Ein schüchterner Welpe, der von einer Gruppe anderen Welpen eingehend untersucht wird hat Angst. Er wird also nicht „sozialisiert“, weil ja „eigentlich“ nichts passiert ist (es ist jedenfalls kein Blut geflossen…), aber die Emotionen des Welpen sind ja legitim und können auch nicht weg geredet werden. Also wird er Hundegruppen oder bestimmte Hundetypen künftig noch kritischer betrachten. Das Vertrauen in den Halter wurde in dieser Situation auch nicht gestärkt, hat dieser doch tatenlos zugesehen und sein Hundekind alleine gelassen. Auch übergriffige Menschen sind ein Problem – nicht jeder Hund möchte sofort und überall angefasst werden, ein Hund der keine Kinder kennt, ist mit sich schnell und laut bewegenden Kindern schnell überfordert und unbekannte Umweltreize tun ihr übriges den Welpen zu verschrecken.
Infektionskrankheiten sind ebenfalls nicht völlig von der Hand zu weisen. Normalerweise haben die Welpen ihre erste Schutzimpfung gehabt, der Impfschutz baut sich gerade auf (und je nach Impfstatus der Mutter baut sich der Schutz durch diese gerade ab). Es entsteht eine Lücke, in der ein kleiner Welpe nicht 100%ig geschützt ist – so weit man das bei einer Impfung überhaupt erwarten darf. Wie meine Tierärztin zu sagen pflegt: „Leben ist gefährlich.“ Welpen zweifelhafter Herkunft von umgeimpften Müttern oder die allgemeine Impfmüdigkeit sind auch keine Hilfe.
Ein sehr oft übersehener aber nicht unwesentlicher Aspekt in Welpenstunden ist die Gefahr der Förderung einer hohen Erregungslage und von unhöflichem Sozialverhalten, insbesondere bei reinen Spielstunden ohne Ruhepausen und entsprechender Strukturierung der Stunde durch den Trainer. Da wird gefiepst, gebellt, an der Leine gezogen und sich sonst wie unkontrolliert verhalten, und weil der Kleine ja so unbedingt spielen will und das ja auch so süß ist werden die völlig überdrehten Welpen wieder ins Spiel geschickt. Hohe Erregung kippt aber auch leicht in Streit und Mobbigsituationen, lernen kann der Adrenalin, Dopamin und Cortisol getränkte Zwerg jedenfalls nicht mehr. Und was er mitnimmt, ist nichts Gutes. Darüber hinaus erkennen viele Hundehalter nicht, ob es sich überhaupt noch um Spiel handelt, oder ob der Welpe eigentlich nur panisch flüchtet oder durch Abwehrschnappen versucht seine Individualdistanz wieder herzustellen.
Fazit: Die Teilnahme an einer gut geführten Welpengruppe ist für die Entwicklung sinnvoll und förderlich. Mensch und Hund können viele gute Erfahrungen machen und wichtige Dinge fürs Zusammenleben lernen. Aber, besser als die Teilnahme an einer schlecht geführten Welpenstunde ist es dann doch, gar keine zu besuchen.
Stellt sich natürlich dann jetzt die Frage: Woran erkenne ich eine gut geführte Welpengruppe…
