Genetik und Krankheiten

Natürlich gibt es bei  Australian Shepherd wie bei jeder anderen Rasse oder jedem Mischling viele verschiedene Krankheitsbilder. Man könnte eine eigene Enzyklopädie schreiben… Wie jeder andere Hund kann der Aussie Krebs, eine Entzündung der oberen Atemwege („Zwingerhusten“) oder Cushing bekommen. Ich beschränke mich hier vor allem auf die im Aussie bekannten und genetisch veranlagten Krankheiten, für die es auch diverse Gentests gibt.

Zum besseren Verständnis vorab ein kleiner Ausflug in die Vererbungslehre (Genetik), um wiederkehrende Begriffe und Abkürzungen verständlich zu machen.

Allel: Ein Hund hat einen doppelten Chromosonensatz und besitzt daher entweder zwei gleiche Allele des entsprechenden Gens oder zwei unterschiedliche Allele. Jedes Elternteil vererbt jeweils ein Allel eines Gens.

Rezessiver Erbgang: Eine erblich bedingte Krankheit tritt nur auf, wenn beide Elternteile jeweils ein defektes Allel für die entsprechende Krankheit vererben. Der Nachkomme gilt dann als betroffen. Die genetische Disposition, dass eine bestimmte Krankheit auftritt, ist damit vorhanden. Erbt der Hund ein defektes Allel von einem Elternteil und ein gesundes Allel vom anderen Elternteil, so wird der Hund für diese Krankheit als Träger bezeichnet. Er ist dann in der Regel von der Krankheit nicht direkt betroffen, kann die erbliche Disposition dafür aber weiter vererben.

Dominanter Erbgang: Die entsprechende Krankheit kann in dem Hund bereits ausbrechen, wenn er nur ein defektes Allel von einem Elternteil vererbt bekommt. Es gibt für diese Krankheit also keine Träger, der Hund ist betroffen oder nicht. Trotzdem kann die Krankheit unbemerkt weiter vererbt werden, denn es handelt sich ja nur um eine genetische Dispostion, die Krankheit muss also nicht zwingend ausbrechen.

Unvollständig dominanter Erbgang (intermediäre Vererbung): Die Allele eines bestimmten Merkmals verhalten sich zueinander gleichwertig, es kann also eine Mischung aus beiden Merkmalen entwicklen.

CT = Computertomografie

MRT = Magnetresonanztomografie

Es wird von Laien immer wieder gefordert, dass „einfach“ alle Träger von Erbkrankheiten aus der Zucht genommen werden. Es wäre natürlich schön, wenn es so einfach wäre! Dummerweise nimmt die Anzahl an Hunden einer Rasse, so auch der Aussie, zwar ständig zu, aber da selten Tiere anderer Zuchtverbände eingekreuzt werden, sind die Tiere heute enger miteinander verwandt als noch vor einigen Generationen. Das bedeutet, dass der Genpool an sich schon stetig kleiner wird. Wenn man jetzt noch die Träger aller bekannten Krankheiten ausschließt, so bleiben zu wenige Tiere zur Zucht übrig. Wie gefährlich ein zu enger Genpool ist, hat man bereits bei einigen Rassen gesehen, die heute praktisch ausgestorben sind, da sie weniger und weniger lebensfähig waren.

Es liegt also im Bestreben der Züchter diese genetischen Dispositionen über mehrere Generationen zu eliminieren ohne den Genpool an sich zu kompromittieren.

 

Augenerkrankungen
Augenkrankheiten sieht man dem Hund in der Regel nicht sofort an. Zudem lernen Hunde wie Menschen mit angeborenen Sehfehlern zu leben. Trotzdem beeinträchtigen sie natürlich die Lebensqualität und Züchter versuchen diese in ihren Nachzuchten zu verhindern. Außer Augenkrankheiten infolge von Merle x Merle Verpaarungen (in Deutschland verboten!), die meist auch äußerlich sichtbar sind, treten die folgenden Augenkrankheiten im Australian Shepherd auf:

CEA – Collie Eye Anomaly
Diese Krankheit wurde zuerst im Collie festgestellt, daher der Name. Sie kommt aber auch in anderen, mit dem Collie verwandten Rassen wie dem Aussie vor. Dabei handelt es sich um einen Oberbegriff für diverse angeborene, erblich bedingte Entwicklungsstörungen des Augenhintergrundes. Man unterscheidet drei Schweregrade, entsprechend dem Grad der Sehbehinderung. In der schwersten Form kann der Hund vollständig erblinden, weil sich die Netzhaut ablöst oder es zu Einblutungen ins Auge kommt. Es sind immer beide Augen betroffen, jedoch kann der Schweregrad in beiden Augen variieren. Eine leichte Form ist die so genannte Choroidale Hypoplasie (CEA-CH), deren genetische Veranlagung getestet werden kann.

Zunächst werden Australian Shepherd Welpen aus verantwortungsbewusster Zucht im Alter von 6-7 Wochen daher einem Augenspezialisten vorgestellt. Diese Untersuchung ist nur in diesem Zeitraum möglich, weil sich das Auge später pigmentiert, so dass der Defekt durch eine einfache Untersuchung nicht mehr feststellbar wäre. Es können auch nur vom Gendefekt betroffene Tiere erkannt werden, Träger weden zunächst auch als frei eingestuft.

Für die Zucht vorgesehene Aussies werden daher auch mittels Gentest untersucht. Durch eine einfache Speichel- oder Blutprobe kann festgestellt werden, ob der betreffende Hund tatsächlich komplett normal (Gendefekt frei) ist, oder ob es sich doch um einen Träger (selber nicht betroffen, kann den Defekt aber vererben) handelt. Dieser Test kann in jedem Alter durchgeführt werden und ist sinnvoll für alle Tiere, mit denen gezüchtet werden soll, denn eine unabsichtliche Anpaarung mit einem anderen Träger des Gendefekts kann zu tatsächlich betroffenen Nachkommen führen (rezessive Vererbung). Für einen Familienhund ist dieser Test nicht notwendig. 

Es ist nicht bekannt warum CEA trotz einem bekannten defekten Gen in unterschiedlichen Schweregraden auftreten kann. Die Vermutung liegt nahe, dass ein oder mehrere weiterer veränderte Gene hierfür verantwortlich sind oder es sich eben um eine der Formen handelt, deren genetische Veranlagung (noch) nicht getestet werden kann. 

Die Dandelions sind alle auf CEA getestet.

Kolobom
Spalten- oder grubenförmige Defekte am oder um den Sehnerv, die in 5-10% der im CEA-CH betroffenen Hunde auftreten. In erster Linie ein kosmetischer Defekt, der aber auch zu erhöhter Lichtempfindlichkeit im betreffenden Auge führen kann. Hunde mit Kolobom sind von der Zucht ausgeschlossen.

PRA – Progressive Retina Atrophie
Hierbei handelt es sich um eine erblich bedingte Degeneration der Netzhaut (Retina), die zwar schmerzfrei ist, aber immer weiter fortschreitet. Dieser Gendefekt führt letztlich immer zur Erblindung des Hundes.

PRA tritt in vielen Rassen auf, man unterscheidet aber verschiedene Formen anhand des Zeitpunkts der Erkrankung, der Schnelligkeit des Krankheitsverlaufs und des auslösenden defekten Gens.

Der Australian Shepherd ist von PRA-PRCD betroffen, eine Form der fortschreitenden Degeneration der Stäbchen und Zapfen der Photorezeptoren. Der Defekt betrifft die Zellen der Netzhaut. Zunächst sind die Stäbchen betroffen, was zu Nachtblindheit führt. Danach kommt es zu Problemen bei der Anpassung des Sehvermögens  an die Dämmerung. Sobald auch die Zäpfchen betroffen sind erblindet der Hund völlig. Die Krankheit tritt typischerweise im jungen Erwachsenalter auf, wird aber vom Halter oft übersehen. Zum Arzt gehen sollten Sie, wenn sich Ihr Hund plötzlich unsicher verhält, vor allem in fremder Umgebung. Im fortgeschrittenen Stadium kann man die geweiteten, großen Pupillen erkennen, die auch am Tage zu verminderter Sehkraft führen. Ein Augenspezialisten diagnostiziert die Krankheit durch Weitstellen der Pupillen und einem indirekten Ophtalmoskop oder einem Elektroretinogramm (ERG). Letzteres misst die von der Netzhaut ausgehenden elektrischen Ströme und erfordert eine Vollnarkose des Hundes.

PRA wird rezessiv vererbt und kann weder behandelt noch aufgehalten werden. Es gibt einen Gentest, um die genetische Disposition für diese Krankheit zu bestimmen. Alle Dandelions sind aufgrund der Eltern PRA frei.

HSF4 – Hereditärer Katarakt (Grauer Star)
Von einem Katarakt spricht man im Fall einer getrübten Linse des Auges, welches die Hauptursache für Blindheit in Hunden allgemein ist. Die vererbte Form des Katarakts tritt bei etwa 100 Hunderassen auf, trotzdem ist die genetische Ursache schlecht untersucht. Bekannt ist eine Mutation des Gens HSF4 als Ursache für Katarakt im Australian Shepherd. Die Vererbung ist aufgrund des variablen Ausdrucks beim Australian Shepherd relativ kompliziert, da autosomal-dominant mit einer unvollständigen Penetranz, was bedeutet, dass die Krankheit nicht bei allen heterozygoten Tieren mit Mutation auftritt (= ein Hund kann zwei defekte Allele besitzen, aber trotzdem nicht erkranken). Auch der Ausdruck der klinischen Zeichen ist eine Variable, so das die krankhaften Veränderungen in verschiedenen Bereichen der Linse auftreten. Das Alter der Tiere bei Auftreten der Krankheit variiert von jung bis sehr alt und schreitet von Fall zu Fall unterschiedlich schnell fort. Die Variabilität der Ausdrucksweise von klinischen Zeichen deutet darauf hin, dass bei der Entwicklung der Krankheit auch andere, nicht bekannte genetische Umweltfaktoren eine Rolle spielen können. Die wissenschaftliche Literatur beschreibt eine 17x größere Wahrscheinlichkeit der Erkrankung bei heterozygoten Tieren (Tiere mit zwei defekten Allelen), im Vergleich zu Tieren ohne HSF4-Gendefekt. Der Test kann das Vorhandensein von anderen genetischen Defekten nicht ausschliesen, die bei der Entwicklung von erblicher Katarakt bei Australian Shepherd beteiligt sein können.

Da Eintrüben der Linse kann aber auch die Folge einer anderen Augenerkrankung sein, oder infolge von Diabetes, einer Verletzung oder einer Vergiftung auftreten. Der Katarakt kann nicht medikamentös behandelt werden. Bei schwerwiegender Sehbeeinträchtigung oder Erblindung des Hundes kann die getrübte Linse operativ entfernt und durch eine künstliche ersetzt werden.

Alle in der Zucht eingesetzten Dandelions sind auf den HSF4-Defekt untersucht.

 

Merle-Syndrom/Merle-Faktor
Bei dem Merle Gen handelt es sich um eine Mutation des Silver Locus Gens, welches vereinfacht ausgedrückt für einen Teil der Pigmentierung der Haare verantwortlich ist. Dabei verdünnt das Gen sozusagen eines der beiden für die Fellfarben Schwarz und Rot  zuständigen Pigmente, was zu der Merle-typischen Scheckung des Fells führt.

Wird das Merle Gen von beiden Elterteilen vererbt so verdoppelt es sich in 25% der Nachkommen (homozygot) und führt zu einem starken Pigmentverlust. Diese Tiere zeigen viel weiß in ihrer Fellfarbe. Gleichzeitig hat der Pigmentverlust aber auch Auswirkungen auf die Ausbildung der Augen und das Hörvermögen, es kann zu diversen Defekten an den Augen wie Mikrophthalmie oder Anophthalmie, Defekten am Innenohr mit verminderten Hörvermögen bis hin zur Taubheit führen. Auch Gleichgewichtsstörungen, geistige Unterentwicklung im Vergleich zu den Geschwistern und weitere Schäden an inneren Organen werden beobachtet.

Die Vererbung des Merle Gens erfolgt unvollständig dominant. Es treten daher keine gesundheitlichen Einschränkungen auf, wenn nur ein Elternteil das Merle Gen vererbt. Die Verpaarungen von zwei Merleträgern ist in Deutschland unter dem Qualzuchtparagraphen verboten. Da man einen so genannten Phantom Merle nicht als Merleträgern erkennen kann – der Hund sieht aus wie ein Black oder Red Bi oder Tri, ist aber genetisch ein Merle – gibt es einen Gentest zur Bestimmung des Merle Gens. Alle Dandelions in der Zucht, die nicht offensichtlich sowieso das Merle Gen tragen (weil sie getupft sind), werden auf das Merle Gen getestet.

 

MDR1-Defekt (Multiple Drug Resistance)
Den betroffenen Hunden fehlt das P-Glycoprotein, ein Transportprotein. Hier finden Sie eine Beschreibung der Vorgänge an der Blut-Hirn-Schranke der Universitätsklinik Gießen, führend in der Forschung rund um das MDR1-Gen. Zusammengefasst schützt der MDR1 Transporter die wichtigen Organe vor der Überladung mit toxischen Stoffen. Das Fehlen kann zu starken neurologischen Nebenwirkungen führen, einschließlich dem Tod des Hundes.

Es wird mittlerweile vermutet, dass auch Träger des Defektes im Zusammenhang mit bestimmten Wirkstoffe Beeinträchtigungen unterliegen, wenn auch nicht in dem Maße wie bei betroffenen Hunden. Eine These ist, dass Träger über unterschiedliche Mengen an P-Glycoprotein verfügen und damit mehr oder weniger anfällig für toxische Überladung sind.

Da es sich nicht ausschließlich um eine Medikamentenunverträglichkeit handelt, sondern scheinbar auch andere Körperfunktionen betroffen sind und darüber hinaus nicht alle Problem verursachenden Stoffe bekannt sind, ist es dem Tierarzt nicht immer möglich, alle Mittel zu vermeiden. Trotzdem sollte man als Halter eines MDR1-Defekt betroffenen Hundes oder eines Trägers die relevanten Wirkstoffe kennen und vermeiden. Dies bedeutet auch, dass auch ein Familienhund, der nicht zur Zucht vorgesehen ist, auf den MDR1-Defekt getestet werden sollte.

Liste kritischer Arzneimittel

 

Erkrankungen des Bewegungsapparats
Wie in vielen großen und mittelgroßen Rassen treten auch im Australian Shepherd diverse Erkrankungen des Bewegungsapparats auf. Aus diesem Grund werden alle Dandelions ab dem Alter von 15 Monaten geröntgt und die Bilder werden von einem zertifizierten Spezialisten beurteilt und klassifiziert.

HD – Hüftgelenkdysplasie

ED – Ellenbogendyspalsie

OCD – Osteochondrosis