Auswahl eines Welpen

Natürlich fließen bei der Auswahl eines neuen Familienmitglieds viele Faktoren mit in die Entscheidung. Witzigerweise höre ich manchmal die gleiche Begründung für oder gegen eine Hündin oder für oder gegen einen Merle-farbigen Hund.

Die Chemie und das Temperament müssen stimmen, keine Frage, deswegen reserviere ich ja auch keine Hunde übers Telefon nach Geschlecht und Fellfarbe. Aber ein paar wissenschaftlich belegte Fakten gibt es ja schon, also hier ein paar sachliche Überlegungen, bevor das Fellknäuel auf dem Schoß einem jede Vernunft raubt:

Die Fragen Rassehund versus Mischling, Tierheim oder Züchter, Welpe versus erwachsener Hund haben Sie ja schon für sich geklärt, sonst wären Sie nicht hier. Grundlage dieser Entscheidung waren hoffentlich Überlegungen hinsichtlich Ihres Lebensstils und Ihrer Zeit, die Sie mit dem neuen Mitbewohner verbringen wollen. Denn Sie haben sich ja für einen aktiven Hund entschieden, der ursprünglich am Vieh eingesetzt wurde. Das bedeutet, Sie werden einen Hund haben, bei dem die Elemente Fixieren, Verfolgen und Zwicken aus der Beutefangverhaltenskette stark ausgeprägt sind. Das berücksichtige ich schon bei Aufzucht und frühester Sozialisierung, und Sie später bei der weiteren Erziehung. So weit, so klar.

Manche Gene können aber an mehrere, ganz unterschiedliche Verhaltensweisen oder sonstige Merkmale gekoppelt sein. Mittlerweile gibt es einige interessante Studien zum Thema Farbgebung und Verhalten, Geschlecht und Verhalten und ähnliches. Und dann gibt es ja noch die ethologische Einteilung nach A und B-Typen, von den exotischen Modellen wie der Geburtsreihenfolge und ähnlichen Albernheiten mal ganz abgesehen. Zu letzterem gibt es natürlich keine Studien.

Farbstoffe und Hormone

In Aussie-Kreisen heißt es ja immer mit einem Augenzwingern: „Die rot getupften haben alle einen Knall.“. Ist da vielleicht was dran? Nach neuen Erkenntnissen gibt es tatsächlich einen direkten gemeinsamen biochemischen Produktionsweg für Eumelanin (verantwortlich für dunkle Färbungen, also schwarz und dunkelbraun) und dem aktiven Typ zugeordneten Botenstoffe der Katecholamine (Noradrenalin, Adrenalin, Dopamin). Also die Systeme für Flucht- und Angriffssysteme und das Selbstbelohnungssystem.

Gleiches gilt für das (hell-)rötliche Pigment Phaeomelanin, welches wiederum mit genetischen Eigenschaften im Bereich des Cortisolsystems verknüpft wird, auch wenn die Dinge hier etwas komplizierter liegen, weil das Genmaterial selber gleichzeitig auch Bindungsstelle für Botenstoffe des Cortisolsystems in Gehirn und Rückenmark und im Hormonsystem selber darstellt. Damit haben die so gefärbten Vertreter wohl tatsächlich eine vermehrte Anfälligkeit für Panik, Hysterie und emotionale Instabilität (nicht vergessen, wir sprechen aber immer noch von genetischen Dispositionen, keine in Stein gemeißelten Tatsachen!). 

Rüde oder Hündin?

Weniger abstrakt sind diese Überlegungen zum Geschlecht: ganz offensichtlich werden Rüden meist größer und schwerer als Hündinnen gleicher Rasse. Ein Blick auf die Eltern gibt schon mal eine Idee, was beim Welpen zu erwarten ist. Darüber hinaus höre ich sehr widersprüchliche Argumente für oder wider ein Geschlecht: „Rüden sind schneller aggressiv“, „Hündinnen sind anhänglicher“, „Rüden sind selbständiger“, „Hündinnen sind zickiger“, und, und, und… Dazu kommt noch der Gedanke, dass die Hündin sich besser an einen Mann bindet, der Rüde an eine Frau. Oder anders rum.

Biologisch betrachtet haben Rüden und Hündinnen verschiedene Lebensaufgaben, auch wenn das politisch nicht korrekt ist. In der Natur ist nämlich der männliche Vertreter meist für Reviersicherung und Schutz zuständig, die weiblichen Vertreter für Jungenaufzucht. So muss der stärker bemuskelte Rüde sich sowohl gegen gleichgeschlechtliche Rivalen behaupten, als auch das Territorium nach aussen sichern. Macht Sinn.

Interessant finde ich neuere Studien, die belegen, dass einer Gruppe von wild lebenden Caniden in der Regel mehr Rüden als Hündinnen angehören, die genannte Zahl beträgt 2-3 Hündinnen auf 5-6 Rüden. Die Verhaltensforscher leiten daraus ab, dass Rüden „besser in der Lage sind, strukturierte, auch hierarchisch gegliederte Sozialverbände in größerer Individuenzahl zu bilden“, während Hündinnen eher in kleineren Stückzahlen“ zusammen leben (Gansloßer & Krivy 2014). Dann müsste die soziale Beziehung von Rüden viel komplexer sein als bei Hündinnen; und es müsste einfacher sein mehrere Rüden zu vergesellschaften, statt mehrere Hündinnen.

Züchter können das oft bestätigen: stimmt die Beziehung der Hündinnen im Haushalt untereinander und sind diese sogar eng verwandt, dann helfen sie sich oft sogar bei der Aufzucht ihrer Nachkommen. Konkurrieren die Hündinnen, dann knallt es richtig! Meist kann man dann nur noch trennen, denn auch Infantizid (das Töten der genfremden Welpen) ist dann möglich. Alles nicht uninteressant wenn die Anschaffung eines Zweithundes angeschafft wird. Gerade bei intakten Tieren ist da nicht nur die Frage der Schwangerschaftsverhütung zu klären!

Beide Geschlechter unterliegen zyklisch oder jahreszeitlich bedingten Hormonschwankungen, das gilt in Maßen auch für Kastrate! Eine läufige oder scheinträchtige Hündin kann anhänglicher sein als normal. Oder sich mehr zurückziehen. Zickig sein, oder besonders freundlich. Das liegt an den Schwangerschaftshormonen und dem Elternhormon Prolaktin, die auch bei nicht belegten Hündinnen aktiv sind. Und auch Kastration schützt da nicht unbedingt, es sind einige Fälle bekannt, in denen die kastrierte Hündin aufgrund eines neu ins Haus kommenden Welpen oder der schwangeren Halterin (!) scheinträchtig wird. Mit allem drum und dran! Auch der kastrierte Rüde, der seine schwangere Besitzerin plötzlich vehement verteidigt, ist keine Seltenheit (auch der steht unter Prolaktininfluss). Also ein deutlich differenzierteres Bild als das des rüpelhaften Rüden und der anschmiegsamen Hündin.

Auch an der Sache mit den gegengeschlechtlichen Mensch-Hund Beziehungen scheint laut Gansloßer was dran zu sein. Übrigens auch in Bezug auf die Konstellation Hündin-Rüde. Da soll es deutliche Unterschiede in der Qualität der Sozialbeziehung geben, und das hat logischerweise nichts mit Sexualtrieb zu tun. Es geht wohl eher um die bei Caniden verbreitete Paarbindung – hallo Vasopressin! – also eine sozial motivierte Bindung. Die Begründung ist wohl darin zu suchen, dass eine Paarbindung Sinn macht, wenn einer der Partner normalerweise nur einmal (Wolf) oder zwei Mal (Hund) im Jahr überhaupt für wenige Tage Paarungsbereit ist. Vasopressin ist aber auch als Eifersucht- und Partnerschutzhormon bekannt – im Alltag kann also der entsprechende Hund durchaus „eifersüchtig“ auf den menschlichen Partner „seines“ Bindungspartners reagieren.

Bei der oben erwähnten Typisierung nach A- und B-Typen handelt es sich übrigens um ein einfaches, auf zwei Typen beruhendes System: der A-Typ gilt als aktiv, handlungsbereit bis forsch und aufgeschlossen in Bezug auf neue Situationen und Artgenossen. Er reagiert auf Stress und Belastung eher mit Kampf (Noradrenalin) oder Flucht (Adrenalin). Der B-Typ hingegen gilt als abwartend, zurückhaltend und beobachtend, neuen Situationen und Artgenossen gegenüber als vorsichtig und bei Stress eher vom Cortisolsystem gesteuert. Die Beeinflussung erfolgt wohl 1/3 über Genetik, zu 2/3 über Umweltfaktoren. Interessant in den Zusammenhang ist, dass diese Umweltfaktoren bereits während der Trächtigkeit und frühesten Welpenentwicklung zum Tragen kommen. Weswegen depriviert aufgewachsene Welpen meist ausgeprägte B-Typen sind.

Arbeitslinie oder Showlinie?

Neuerdings kommt auch oft die Frage auf, ob ein bestimmtes Elterntier Arbeitslinie oder Showlinie ist. Nun reden wir ja generell beim Aussie von einem Arbeitshund; wenn ich vier bis fünf Generationen nach oben schaue hatten diese Hunde meist alle noch eine Aufgabe. Und natürlich kann man das auch nicht sauber trennen, höchstens prozentual zuordnen, ob in der Vergangenheit mehr auf Phänotyp oder mehr auf Funktion, also Arbeitsfähigkeit und Hütetrieb selektiert wurde. Aber was bedeutet das für den durchschnittlichen Aussiehalter? 

Wenn ich nachfrage, warum es denn Arbeitslinie sein soll, dann kommen die unterschiedlichsten Antworten. „Mir gefällt der Typ einfach besser“ bereitet mir etwas Bauchschmerzen. Ja, die Arbeiter zeigen oft ungewöhnliche Fellfarben und Muster, das scheint in Mode zu sein. Aber was nützt mir ein ungewöhnlich gefärbter Hund, der die Kinder zwickt und sich bei mir ins Problemhundverhalten langweilt? Und einmal die Woche Agility im Verein erfordert noch keinen Hochleistungssportler – leicht zu sehen am deutlich schwereren Labrador oder flinken Havaneser, der auch mit von der Partie ist. „Ich will nicht so einen Fellbomber“ – auch wieder Aussehen lässt sich auch in gemäßigten Linien lösen, es gibt genug Aussies mit moderatem Fell ohne Mistretta Vorfahren (eine berühmte Arbeitslinie). 

Anders rum ist das Argument „die Showlinien sind ruhiger“ auch Blödsinn. Vielleicht wirken sie manchmal durch das schwerere und behäbigere Aussehen so, aber wir reden immer noch von einem Aussie. Und da kann auch ein Hund mit kräftigerem Körperbau und längerem Fell flink unterwegs sein und andererseits vom Kopf her sehr überdrehen – die Chance ist sogar bei einem über Generationen auf Aussehen selektierten Hund sehr wahrscheinlich. Wobei sicher kein Züchter ausschließlich auf Aussehen selektieren wird, Temperament und Gesundheit sind sicher auch ein Kriterium. Bei der Selektion geht es ja nur um Schwerpunkte – ist ja nicht so als könnten wir wie von einer Speisekarte ordern. 

Ich kann also bei einem als typischen Showvertreter erscheinenden Hund durchaus auf viel Feuer im Hintern mit reichlich Hütetrieb stoßen, und der vermeintliche Arbeiter liegt vielleicht tatsächlich lieber auf dem Sofa. Auch hier wieder; wir reden von genetischen Dispositionen, nicht in Stein gemeisselten Gesetzen. Tendenzen… Möglichkeiten… aber dennoch sicher etwas, was man im Auge haben sollte. Hier hilft es meist, einen genaueren Blick auf die Eltern zu werfen; unabhängig vom Äußeren, was treiben die so? Wieviel Beschäftigung bekommen die/brauchen die? Was tun die, wenn sie unterbeschäftigt sind? Wie sieht das mit den anderen näheren Verwandten aus? Der jeweilige Besitzer kann da sicher Auskunft geben. 

Jetzt haben Sie auch ein paar fundierte Argumente, warum es dieser oder jener Hund sein soll, und nicht nur die gute alte „der ist als erster auf mich zugelaufen“-Argumentation. Im konkreten Fall hier sieht es nun so aus, dass Sie sich bei Ihrem Besuch für einen Welpen entscheiden, den ich Ihnen nach Vertragsunterzeichnung und Anzahlung dann reserviere. Über dessen Temperament und Veranlagung – so weit ersichtlich – erzähle ich Ihnen dann persönlich was mir bis dato so aufgefallen ist. Und dann liegt es natürlich an Ihnen, den kleinen Mitbewohner zu fordern und zu fördern – vielleicht mit Blick auf bestehende genetische Dispositionen. 

Teufelchen